So wird die ePA ein Erfolg

  • Sven Lüttmann, VISUS Experte für Interoperabilität und Standardisierung

Nach dem überraschenden Geschäftsführerwechsel bei der gematik im Sommer 2019 war die Erwartungshaltung der Industrie – und auch unsere – klar: In die Ausgestaltung der TI-Anwendungen, etwa der ePA, müssen endlich alle Stakeholder einbezogen werden – von den Fachgesellschaften über Patientenvereinigungen bis zu den Berufsverbänden wie dem bvitg. Und tatsächlich findet unter Dr. Markus Leyck Dieken eine Öffnung der gematik statt – was uns bei VISUS optimistisch stimmt.

Das Wissen über internationale Standards und Terminologien schafft die Fähigkeit zum interoperablen Austausch von Daten. Sich in die Standards einzuarbeiten, ist nicht ganz trivial. Die Kunst ist, die Standards so einzusetzen, dass sie in der medizinischen Wertschöpfungskette einen Nutzen abbilden, also von Schnittstellen zu Prozessen zu gelangen. Und das ist schwieriger, als man denkt. Um diesen Job gut zu machen, muss man sehr genau wissen, wie und welche Standards sich für gewisse Anwendungsfälle einsetzen lassen, welche Profile (zum Beispiel aus den IHE Frameworks) sich eignen, wo es Stolpersteine gibt und welche Vorkehrungen es zu treffen gilt. Voraussetzung dafür ist ein enormes Detailwissen.

Eine ganz normale DICOM-Schnittstelle zur Übertragung von Bilddaten, kann dazu dienen, Daten aus der Modalität herauszubekommen. Sie ist aber auch hilfreich, wenn es darum geht, Daten elektronisch zu versenden. Es gibt viele Prozesse, die sich hinter dem reinen Schnittstellenthema verbergen. Und da die Balance hinzubekommen, das ist eine Kunst. Mit Blick auf die ePA sprechen wir von komplexen Schnittstellen – und damit von zahllosen Kunststücken, die vollbracht werden müssen, damit am Ende eine funktionierende Lösung herauskommt. Bisher wurden nicht die Personen und Institutionen eingebunden, die sich richtig gut mit Standards und Prozessen auskennen.  Solche, die seit Jahren in den einschlägigen Gremien sitzen, Regelwerke wälzen, diese in Software umsetzen und mitgestalten. Und die wissen, wie sich Prozesse unter dem Einsatz von Standards optimal gestalten lassen.

Bitte fragt die Experten!

Unsere Wunschvorstellung für die Prozesse rund um die Ausgestaltung der TI samt ePA und zukünftiger Spezifikationen sieht so aus: Staatlich agierende Institutionen müssen sich mit internationalen Standards auseinandersetzen, um ein gemeinsames Verständnis und einen gemeinsamen Sprachraum zu entwickeln. Für jede zukünftige Anforderung gibt es ein entsprechendes Expertengremium, in der die betroffenen Akteure ihre Anforderungen diskutieren und gemeinsam mit den Experten Lösungen basierend auf internationalen Standards entwickeln. Nur im Gemeinsamen liegt die Chance zum Erfolg! Ganz explizit beinhalten diese Expertengremien nicht nur Vertreter mit der medizinisch-prozessualen Expertise, sondern auch solche mit fundierten IT-Kenntnissen. Wenn es zum Beispiel darum geht, neue medizinische Informationsobjekte in die ePA einzustellen und damit zum Patienten zu bekommen, braucht es schließlich IT-Experten, die das IHE XDS Profil wie ihre Westentasche kennen – schließlich basiert die ePA auf genau diesem Profil. Bisher fand der Austausch dieser technischen Expertise nicht ausreichend statt – was leider auch sehr deutlich sicht- und spürbar ist. Es ist doch so: Je weniger die Spezifikation einer Anwendung der technischen Notwendigkeit – im Fall der ePA dem IHE XDS Profil – entspricht, desto unwahrscheinlicher wird es, dass sie jemals in die Praxis gelangt.

Endlich umdenken

Umso mehr freut es mich, dass die Gesprächsbereitschaft der gematik in den vergangenen Monaten stark gestiegen ist und anscheinend mehr und mehr die Endanwender der Lösung in den Fokus rücken. Zudem scheint es inzwischen auch ein echtes Interesse an dem Wissen der IT-Experten aus Wissenschaft und Industrie zu geben – das zeigen die vergangenen Workshops mit der gematik und der Industrie, vertreten durch den bvitg. e.V., deutlich. Letztlich zeigt dieses Interesse auch eine Wertschätzung gegenüber den Standards und den Gremien, in denen sie weiterentwickelt werden.

Wir als ein Unternehmen, dem die Verwendung von Standards in die DNA geschrieben ist, wissen um den enormen Wert dieser – oft mühseligen und kleinteiligen – Arbeit in beispielsweise den IHE-Gremien. Jetzt wird es Zeit, dass alle Akteure im Gesundheitswesen zusammenarbeiten, um nicht gänzlich vom Rest der Welt abgehängt zu werden und um die Ergebnisse auch wieder aktiv in die internationale Standardisierung einzubringen. Denn nur so können wir in Deutschland dauerhaft hochwertige Lösungen für Patienten entwickeln und mit der TI auch europäisch interoperabel sein.