Digitale Vernetzung: E-Health made in Europe

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Hätte die schnellere und umfassendere europaweite Vernetzung der Corona-Warn-App dabei helfen können, die Ausbreitung der Pandemie abzumildern? Vielleicht. Wären europaweit einheitliche E-Health-Anwendungen basierend auf der DSGVO und der EU-Verordnung für Medizinprodukte eine starke Alternative zu Lösungen aus China oder den USA? Vermutlich ja. Solange es keine einheitliche europäische E-Health-Strategie gibt, wird es auf Fragen wie diese keine verlässliche Antwort geben. Aber wie kann E-Health made in Europe gelingen, wenn sich schon die einzelnen Länder mit einer einheitlichen Strategie schwertun? Ein neues Impulspapier der Bertelsmann Stiftung skizziert einen Lösungsansatz.

„Impulse für eine integrierte E-Health-Strategie“ lautet der Titel des 64 Seiten starken Papiers der Autorengruppe rund um Dr. Thomas Kostera von der Bertelsmann Stiftung. Das Papier legt nicht nur übersichtlich und umfassend dar, welche Richtlinien, Empfehlungen, Initiativen und Strategien sich auf EU-Ebene bereits mit der E-Health-Thematik beschäftigten (sehr viele!), sondern auch, warum daraus noch zu wenig erlebbare Ergebnisse entstanden sind (zu fragmentiert). Im Mittelpunkt stehen jedoch konkrete Empfehlungen, wie E-Health made in Europe entstehen und zum Erfolg werden kann. Die gute Nachricht der Autoren lautet: Mit der DSGVO und der EU-Verordnung für Medizinprodukte gibt es bereits einen soliden rechtlichen Rahmen. Trotzdem gibt es noch viel Nachholbedarf, zum Beispiel in folgenden Bereichen.

E-Health-Anwendungen für Bürger erfahrbar machen

Wer im europäischen Ausland auf medizinische Hilfe angewiesen ist, muss heute nicht mehr fürchten, nicht behandelt zu werden oder auf den Kosten sitzen zu bleiben. Zahlreiche Regelungen sorgen für eine reibungslose Abwicklung. Die grenzüberschreitende Einlösung von (E-)Rezepten oder eine europaweit verfügbare elektronische Akte wären weitere Mehrwerte, von denen die Bürgerinnen und Bürger unmittelbar profitieren würden. Dass solche Projekte funktionieren können, zeigt ein Pilot zwischen Finnland und Estland, der das Einlösen grenzüberschreitender E-Rezepte bereits ermöglicht.

Einen europäischen E-Health-Markt schaffen

Laut einer Schätzung von Roland Berger werden China und die USA bis 2025 mit einem geschätzten Volumen von 226 bzw. 126 Milliarden Euro fast 60 Prozent des globalen Marktes für E-Health ausmachen.

Wenn die europäischen Länder künftig eine eigenständige Rolle auf dem E-Health-Markt spielen wollen und ihren Bürgern Lösungen auf dem europäischen Datenschutzniveau bieten wollen, benötigt es eine länderübergreifende Strategie, um ausreichende Skaleneffekte bei Daten und Märkten zu schaffen. Ein europäischer Markt hätte laut des Papiers „ein geschätztes Volumen von 155 Milliarden Euro bis 2025 sowie über 500 Millionen potenzielle Anwender. Damit wäre Europa der zweitgrößte Markt weltweit. Ein einheitlicher Markt bietet mehr Entfaltungsmöglichkeiten für erfolgreiche Unternehmen, die von einem großen Heimatmarkt aus besser in eine weltweite Vermarktung einsteigen können“.

Europäische Daten-Governance

Bei den E-Health-Strategien der Länder geht es immer um einen zweckgerichteten Austausch, die Verwendung und Analyse von Gesundheitsdaten. Die Daten erfüllen also keinen Selbstzweck, sondern dienen Ärztinnen und Ärzten oder Wissenschaftlern als Fundament für ihre Arbeit und Entscheidungen. Über diesen Weg entfaltet sie einen Nutzen für die Patienten. Aber: Der rein technische Austausch von Daten schafft wenig Mehrwerte, weshalb eine rein technische Interoperabilität nur die halbe Miete ist. Das Impulspapier nennt hierzu folgendes Beispiel: „Die Niederlande beispielsweise haben über einen Zeitraum von 15 Jahren die Erfahrung gemacht, dass die Entwicklung technischer Interoperabilität und der Austausch elektronischer, papiergleicher Dokumente nicht zum gewünschten Erfolg führten. Erst in den vergangenen zwei Jahren wechselte man bei den nationalen Digital-Health-Anstrengungen dahin, klinische Datenmodelle (Struktur, Formate, standardisierte Messwerte, semantische Codierung) zu erarbeiten. Erst wenn die Datenmodell-Spezifikationen und -Anforderungen aller Softwaresysteme abgebildet oder die auszutauschenden Daten automatisch in diese Modelle übertragen werden können, wird der volle Nutzen solch einer voll interoperablen Infrastruktur für eine optimale Gesundheitsversorgung offensichtlich und nachvollziehbar.“

Einsatz von künstlicher Intelligenz

Schon heute sorgen E-Health-Anwendungen basierend auf künstlicher Intelligenz (KI) für eine effizientere Ressourcennutzen. Länderübergreifend werden dabei die gleichen Diskussionen geführt: Wo ist der Einsatz von KI sinnvoll und ethisch vertretbar? Wie steht es um die Qualität der den Algorithmen zugrunde liegenden Daten? Zur Beantwortung dieser Fragen müssen Strukturen und Prozesse geschaffen werden, die den Fokus auch auf ethische Anforderungen richten, wie den Schutz der Privatheit und die Vermeidung von Diskriminierungen. Hierfür braucht es nicht zwingend neue gesetzliche Grundlagen und Institutionen – die bestehenden Normen können ergänzt und Institutionen für neue Aufgaben gestärkt werden. All diese und weitere ethische Aspekte sollten im Rahmen der Entwicklung einer europäischen E-Health-Strategie diskutiert werden – vor allem hinsichtlich einer möglichen europäischen Governance-Struktur, aber auch im Hinblick auf das Zusammenspiel mit einem europäischen Datenraum, einem Verhaltenskodex für Datennutzung und einer grenzüberschreitenden Nutzung von E-Health-Lösungen.



Die Ideen und Vorschläge der Autoren der Bertelsmann Stiftung sind hier stark verkürzt dargestellt. Wer sich ausführlicher über eine einheitliche E-Health-Strategie für Europa informieren möchte, kann sich das komplette Impulspapier kostenlos hier downloaden.