Wechsel an der Verbandsspitze: Der bvitg wird weiblicher und agiler

  • Melanie Wendling - bvitg e. V.
  • Bundesverband Gesundheits-IT – bvitg e. V. - Logo
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Melanie Wendling hat am 1. August 2022 die Geschäftsführung des Bundesverbandes Gesundheits-IT – bvitg e. V. übernommen. Durch ihre Tätigkeit als Politik- und Verbandsvertretung bei der Telekom Healthcare Solutions ist sie dem bvitg seit langem verbunden und an dessen Arbeit interessiert. 

VIEW: Frau Wendling, was macht die Position der Geschäftsführerin des Verbandes für Sie so interessant?

Melanie Wendling: Der Reiz liegt für mich in der Kombination aus Sachthemen und politischer Arbeit. In meinen vorherigen Jobs habe ich ein großes Netzwerk aufgebaut, ich kenne einfach sehr viele Leute. Und noch wichtiger: Viele Leute kennen mich. Das ist gerade jetzt ein Vorteil, weil wir uns mitten in einem Generationenwechsel befinden: Die bisherigen Granden der Branche ziehen sich zurück, die jungen Leute, die nachrücken, haben zum Teil ganz andere Vorstellungen, Wünsche und Ambitionen. Ich denke, dass ich in einer guten Vermittlerposition bin, weil mir beide Welten vertraut sind.

VIEW: Wie meinen Sie das? Was zeichnet Ihren Führungsstil aus?

Melanie Wendling: Vernetzung ist extrem wichtig in meinem Job. Ich bin aber keine Frühstücksdirektorin, sondern sehr sachorientiert. Das bedeutet, dass ich mich zwar auch sehr gerne zum Mittag verabrede – wenn es fachlich etwas zu besprechen gibt. Ich bin auch nicht der Meinung, dass Karrieren abends um 23 Uhr an der Theke modelliert werden. Diese Zeiten sind so langsam wirklich vorbei. Vermutlich werden die Karrieren von morgen eher auf dem Spielplatz verhandelt. Aber im Ernst: Wir haben immer mehr Frauen in Schlüsselpositionen und es sollten noch mehr werden. Gerade junge Menschen finden ihr Seelenheil heute oft nicht darin, bis spät abends zu arbeiten oder auf Kaminabenden und Sommerfesten zu flanieren. Männer übrigens genauso wenig wie Frauen. Darum erwarte ich das nicht von meinen Mitarbeitenden. Ich bin selbst Mutter und weiß, wie wichtig planbare, strukturierte Tage sind, um beides unter einen Hut zu bekommen. Ein solches Umfeld möchte ich fördern.

VIEW: Der bvitg wird also weiblicher werden – die Branche an sich scheint es irgendwie nicht zu werden...

Melanie Wendling: Solche strukturellen Änderungen passieren nicht von heute auf morgen. Die Gesundheits-IT ist nach wie vor geprägt von inhabergeführten Unternehmen – und hier muss man wirklich nicht gendern. Denn die Geschäftsführer sind fast ausschließlich Männer. Vor 15 bis 20 Jahren haben aber nur wenige Frauen IT-Unternehmen gegründet oder Informatik studiert. Deswegen kann man nun nicht bemängeln, dass es in IT-Unternehmen zu wenig Frauen an der Spitze gibt. Auch das wollen wir ändern. Junge, smarte Gründerinnen sind extrem wichtig für die Branche, weil sie einen frischen, einen weiblichen und womöglich einen anwenderfreundlicheren Blick auf die Dinge werfen. Und wir brauchen dringend einen Perspektivenwechsel.

VIEW: Welche Themen sollten denn in den Fokus gerückt werden? Was sind die Herausforderungen für Ihre Mitgliedsunternehmen?

Melanie Wendling: Ein wesentliches Thema ist die Usability der IT. Aktuell werden IT-Lösungen und Konzepte immer noch sehr stark von der Sicherheitsseite her gedacht, nicht von der Anwendbarkeit. Das ist historisch gewachsen, auch bei der Telematikinfrastruktur standen ja Sicherheitsaspekte im Fokus. Diesem Denken haben wir die mangelnde Flexibilität des gesamten Konzepts zu verdanken, auch was die Adaption neuer Technologien angeht. Natürlich konnte vor gut 20 Jahren, als die Basis für die TI gelegt wurde, niemand ahnen, dass es so etwas wie Cloudlösungen und Smartphones geben wird. Das Problem ist, dass die Möglichkeit neuer Technologien erst gar nicht mitgedacht wurde. Dieses Denken hat die gematik mittlerweile abgelegt – und die TI 2.0 ins Leben gerufen. Für mich ist damit schon die Entwicklungsmöglichkeit in den Namen eingeflossen, weil es Raum für eine TI 2.1 oder 3.0 lässt. Wir sind also auf dem richtigen Weg. Und den müssen die IT-Unternehmen mitgehen und akzeptieren, dass es niemals einen finalen Status quo geben wird. Neue Technologien und daraus resultierende Änderungen im Userverhalten müssen immer mitgedacht werden.

VIEW: Welche Rolle kann der Verband bei dieser Transformation spielen?

Melanie Wendling: Eine vermittelnde und lösungsfindende Rolle. Um diese ausfüllen zu können, müssen wir aber mehr und vertrauensvoller miteinander kommunizieren. Die Mitgliedsunternehmen sollten uns sagen, was sie können – und auch, was sie nicht können. Und zwar ehrlich und transparent. Dann können wir mit der Politik und anderen Institutionen ins Gespräch gehen und die Bedürfnisse früher und stärker einbringen. Darin liegt nämlich der Schlüssel: Die Akteure der Gesundheits-IT müssen mehr und offener miteinander reden. Wir verfolgen alle das gleiche Ziel, nämlich die Versorgung der Menschen zu verbessern.

VIEW: Was bedeutet das für die Verbandsstruktur, wie muss sich die ändern?

Melanie Wendling: Wir müssen agiler werden, schneller reagieren. Ich wünsche mir flexiblere Strukturen, um gezielt auf aktuelle Themen reagieren zu können. Dafür müssen wir stärker mit unseren Mitgliedsunternehmen in Kontakt kommen, bessere Kommunikationswege finden – zum Beispiel über eine App, die auch Push-Nachrichten erlaubt. Um sachorientiert zu handeln, sind wir aber auch auf den Input der Unternehmen angewiesen, auf ihre Erfahrungen mit den Anwenderinnen und Anwendern – vor allem auch mit den negativen. Dafür müssen wir ein ausgezeichnetes Angebot schaffen, um einen vertrauensvollen Austausch und eine hohe Partizipation zu ermöglichen.
 




Zur Person

Melanie Wendling ist Rheinländerin, 48 Jahre jung und Mutter eines 6-jährigen Sohnes. Die Wahlberlinerin kennt das Gesundheitswesen und dessen Digitalisierungshistorie aus allen erdenklichen Perspektiven. Von 2004 bis 2009 war sie persönliche Referentin der damaligen Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt, anschließend auch kurzzeitig für deren Nachfolger im Amt, Philipp Rösler. Darauf folgten mehrere Jahre bei der Telekom Healthcare Solutions als Politik- und Verbandsvertreterin. Bevor Melanie Wendling am 1. August 2022 die Geschäftsführung des bvitg von Sebastian Zilch übernahm, war sie Abteilungsleiterin Gesundheit und Rehabilitation bei der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung.