Digitalisierung spart Ressourcen

  • Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE)

Auch Krankenhäuser geraten zunehmend unter „Nachhaltigkeitsdruck“. Nicht nur, dass Patientinnen und Patienten neben exzellenter Medizin auch ein hohes ökologisches und soziales Handlungsbewusstsein erwarten. Auch neue gesetzliche Anforderungen verlangen von Kliniken ab einer bestimmten Betriebsgröße Rechenschaft über ihre Nachhaltigkeitsbemühungen. Die IT kann dabei gleich in mehrfacher Hinsicht helfen, wie Frank Dzukowski, Leiter der Stabstelle Nachhaltigkeit am Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) in Hamburg im Interview mit VIEW erklärt.

VIEW: Herr Dzukowski, wie schätzen Sie die Rolle der Digitalisierung auf dem Weg zum nachhaltigen Krankenhaus ein?

Frank Dzukowski: Die Digitalisierung ist ein wichtiger Themenblock, weil sie grade in größeren Kliniken eine Voraussetzung für effiziente Prozesse ist. Letztlich geht es darum, Ressourcen auf verschiedenen Ebenen einzusparen. Zum Beispiel Personalressourcen, denn das Pflegepersonal ist deutschlandweit knapp und muss sich in der Klinik um seine wesentliche Aufgabe kümmern können: die Pflege der Patientinnen und Patienten. Das gelingt bei gleichbleibend hoher Versorgungsqualität nur, wenn die medizinischen Informationen für die Diagnose oder Therapie für alle am Prozess Beteiligten in einer guten Qualität zur Verfügung stehen. Nur dann werden gute Entscheidungen effizient und schnell getroffen, um den Patienten best- und schnellstmöglich versorgen zu können. Gleichzeitig werden räumliche und materielle Ressourcen geschont, weil Behandlungen besser aufeinander abgestimmt sind. Doppeluntersuchungen können vermieden und teure, ressourcenintensive Leerstände, zum Beispiel im OP, reduziert werden. Digitalisierung kann dazu beitragen, dass alles ineinandergreift, der Patient eine exzellente, präzise Behandlung erfährt und trotzdem nicht mehr Zeit, Materialien und Energie als nötig verwendet wird.

Haben Sie konkrete Beispiele dafür? 

Frank Dzukowski: Durch eine Vernetzung insbesondere von medizinischen Subsystemen können Informationen bestmöglich kontextualisiert werden. Bei der OP-Planung etwa brauchen wir viele Daten aus unterschiedlichen Systemen, um diese Ressource sinnvoll planen zu können. Und es ist wichtig, dass diese Daten auf Knopfdruck vorliegen, damit keine Verzögerungen entstehen, nur, weil ressourcenrelevante Infos fehlen, die irgendwo im Papierformat liegen. Sind Planungen nicht aufeinander abgestimmt, kommt es zu Doppelbelegungen oder Leerständen. Und beides verursacht Ressourcenverbräuche, die sich negativ auf die Nachhaltigkeitsbilanz eines Hauses auswirken.
Ein weiteres – fast schon triviales – Beispiel ist das Einsparen von Papier. Wir bemühen uns zum Beispiel überall dort, wo nur eine Unterschrift benötigt wird, auf einen Ausdruck zu verzichten und den Prozess komplett digital abzubilden. Außerdem verzichten wir auf die Ausdrucke von EKGs, indem wir diese von vornherein digitalisieren. Das hat zusätzlich noch den Vorteil, dass die Ärztinnen und Ärzte bessere Auswertungsmöglichkeiten haben. 

Welche Voraussetzung müssen die digitalen Daten erfüllen?

Frank Dzukowski: Die Informationen und Dokumente müssen gut lesbar und über eine gute Stichwortsuche auffindbar sein. Und nicht als unbekanntes, nicht betiteltes Dokument in den Tiefen der IT verschwinden. Es geht auch darum, dass die Abläufe und die Routinen, die einer Logik folgen, funktionieren und die Mitarbeitenden so im Alltag automatisiert und schnell zu guten Ergebnissen kommen können.

Ein wichtiger Hebel für mehr Nachhaltigkeit in jedem Unternehmen ist die Beschaffung. Welche Anforderungen stellen Sie im Krankenhaus mit Fokus auf Nachhaltigkeit an die IT-Beschaffung?

Frank Dzukowski: In der IT-Beschaffung haben wir Anforderungen, die eigentlich überall gelten. Dazu gehört eine intelligente Lebenszyklusbetrachtung, welche die gesamte Standzeit einberechnet. Je länger die Geräte betrieben werden, desto weniger Material wird verbraucht. Wir können zum Beispiel mit Verlängerungsgarantien arbeiten, um den Ressourceneinsatz zu reduzieren. Wir müssen aber auch die Energieverbräuche der Geräte zugrunde legen und abwägen, Energieklassen berücksichtigen, Stand-by-Verbräuche vergleichen und Speicherorte zentralisieren.
Das sind die technischen Aspekte. Genauso wichtig ist uns aber, dass auch die Anbieter anfangen, Nachhaltigkeitskriterien mit in ihre eigenen Geschäftsprozesse zu integrieren. Zum Beispiel, indem sie den eigenen CO2-Fußabdruck ermitteln – für das Unternehmen und auch für die Produkte. Außerdem schauen wir mittlerweile auch darauf, ob die Unternehmen aussagekräftige Zertifizierungen nachweisen können. Etwa nach der Umweltnorm DIN EN ISO 14001 oder dem Nachhaltigkeitsstandard EMAS. Auch das Bekenntnis zur Einhaltung der 17 Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen spielt eine Rolle.
Dieser parallele Weg der Lieferanten-Nachhaltigkeit wird von uns künftig häufiger über die Ausschreibungsunterlagen abgefragt, um sicherzustellen, dass wir nicht von außen einen produktbezogenen CO2-Rucksack aufgebürdet bekommen, der sich negativ auf unsere Nachhaltigkeitsziele auswirkt.

Bevorzugen Sie heute schon Anbieter, die ihre Nachhaltigkeitsaktivitäten nachweisen können?

Frank Dzukowski: Die Umstellung der Beschaffung ist ein kontinuierlicher Prozess für alle Produktgruppen. Wir schreiben das nicht gleichzeitig für alle Produktgruppen aus, aber die Ausschreibungsunterlagen werden immer mehr mit diesen Aspekten ausgestattet. Wir sind dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz verpflichtet und haben auch entsprechende Strukturen implementiert, um die aus dem Gesetz entstehenden Anforderungen einzuhalten. Mit unserem Einkauf stehen wir im Austausch darüber, wie wir unsere Pflichten bestmöglich einhalten können. Darum steigt die Erwartungshaltung und wir werden zunehmend auch Kriterien wie eine Zertifizierung oder Nachhaltigkeitsberichterstattung der Lieferpartner in die Entscheidungsprozesse einbeziehen. Wir merken aber auch, dass die Unternehmen mittlerweile immer mehr gute Antworten haben.

Wie kommunizieren Sie mit Ihren IT-Kollegen darüber, dass die nun zusätzlich zu allen anderen Anforderungen auch noch auf Nachhaltigkeitsaspekte der IT achten müssen?

Frank Dzukowski: Da gibt es einen großen gemeinsamen Nenner, wir sind da auf der gleichen Spielfeldhälfte unterwegs. Unsere IT weiß um die Wichtigkeit effizienzsteigernder Maßnahmen. Angefangen bei Virtualisierungen über energiesparende Serverschränke bis hin zur effizienten Kühlung unseres Rechenzentrums.

Vielen Dank für das Gespräch!

Frank Dzukowski
"Wir werden zunehmend auch Kriterien wie eine Zertifizierung oder Nachhaltigkeitsberichterstattung der Lieferpartner in die Entscheidungsprozesse einbeziehen."

Frank Dzukowski

Leiter der Stabstelle Nachhaltigkeit am Universitätsklinikum Eppendorf (UKE)



Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf 

Das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) ist Vorreiter bei der Nachhaltigkeit und zählt deutschlandweit zu den drei Kliniken, die mit dem Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK) einen Nachhaltigkeitsbericht erstellen. Der heutige Leiter der Stabstelle Nachhaltigkeit und Klimamanagement, Frank Dzukowski, stieß das Thema bereits vor zehn Jahren an. Im Jahr 2014 wurde Nachhaltigkeit dann als eine der fünf tragenden Säulen in das Leitbild der Uniklinik aufgenommen, 2020 wurde die Stabstelle gegründet. Bis 2040 will das UKE klimaneutral sein