Hier bekommt man noch was für seine Daten!

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Dank sagenhafter Wertsteigerungen von Kryptowährungen – im Fall der Bitcoins um bis zu 1.000 Prozent – ist die dahinterliegende Blockchain-Technologie auch weniger technikaffinen Menschen mittlerweile ein Begriff. Mit Blockchain lassen sich aber nicht nur alternative Finanzplätze, sondern jegliche Art von Börsen aufbauen. Zum Beispiel eine für den Handel mit Gesundheitsdaten. Auch hier geht es ums Geld, erfreulicherweise aber um welches für diejenigen, die die Daten erzeugen – also potenziell für jeden von uns.

Hinter diesem Ansatz steht die HIT (Health Information Traceability) Stiftung in der Schweiz, deren Vorsitzender Dr. Eberhard Scheuer ist. Im Interview mit VISUS VIEW erklärt er das dahinterliegende Konzept und warum ein solcher Marktplatz erst durch den Einsatz der Blockchain-Technologie attraktiv wird.

Herr Scheuer, was macht die Blockchain-Technologie für den Gesundheitsmarkt attraktiv und in welchen Zusammenhängen?

Um es direkt vorwegzunehmen: Blockchain eignet sich nicht zur Ablage medizinischer Daten, die Datenmenge wäre zu groß. Der Energieaufwand zum Betrieb der Bitcoin-Blockchain beispielsweise entspricht dem von ganz Serbien. Und hier sind nur minimale Daten über Transaktionen hinterlegt – keine CT-Studien. Und trotzdem ist die Technologie interessant, denn sie bietet drei große Vorteile: Sie ist nicht korrumpierbar und fälschungssicher, sie bietet Transparenz trotz Anonymität und sie lässt sich dezentral betreiben. Damit bietet sie die perfekte Plattform für digitale Transaktionen. Ein Nachteil digitaler Daten ist ja, dass sie unendlich oft kopiert und auch manipuliert werden können. Bei Blockchain geht das nicht, weil jederzeit nachvollziehbar ist, ob eine Transaktion schon einmal ausgelöst wurde.   Damit ist sie zum Beispiel besonders reizvoll für die klinische Forschung. Hier gibt es nicht wenige Betrugsfälle basierend auf Datenmanipulation, die mit Blockchain unmöglich würden. Das größte Potenzial besitzen jedoch die Smart Contracts. Ein Beispiel: Die Versicherung von A gewährt ihm 10 Prozent Rabatt auf die Versicherungsbeiträge, wenn er zehn Kilo abnimmt. Tut er das und bestätigt ein Arzt die Erfüllung dieser Bedingung, wird der Vertrag automatisch gültig und ausgelöst. Auch Logistikvorgänge können auf diese Art abgewickelt werden.

Was genau ist nun der Ansatz der HIT Foundation und für wen ist der Marktplatz interessant?

Initiale Idee der Plattform war die Erkenntnis, dass bisherige zentrale Lösungen nicht akzeptiert werden. Warum? Weil es für die beteiligten Geber keine Anreize gibt, sich auf einen Datendeal einzulassen und Gesundheitsdaten zu digitalisieren.

Dieses Dilemma lösen wir nun auf. Vereinfacht gesagt, bauen wir einen Marktplatz, auf dem Gesundheitsdaten gegen sogenannte Token gehandelt werden können. Vergleichbar zu Plattformen, auf denen temporär Wohnungen oder eine Autonutzung gehandelt wird. Mit dem großen Unterschied, dass bei uns kein Unternehmen als zentrale Entität zwischengeschaltet ist. Stattdessen gibt es die Blockchain und mit ihr alle Vorteile der Anonymität, der Unbestechlichkeit und der einfachen Möglichkeit, automatisiert Vertragsinhalte festzusetzen und einzulösen.

Ein Beispiel für die Nutzung der Plattform könnte dieses sein: Ein Pharmahersteller sucht für die Entwicklung eines neuen Blutzuckersenkers Diabetiker, die bestimmte Daten liefern. Dafür ist er bereit, eine bestimmte Menge Token an jeden einzelnen Datenlieferanten auszugeben. Also platziert er eine Ausschreibung auf dem Marktplatz und fragt an, welche der registrierten Nutzer mit entsprechendem Profil bereit sind, für die Summe von Token ihre Daten bereitzustellen. Die Datenlieferanten bleiben selbstverständlich anonym. Dieses dezentrale Token-System, das überhaupt erst den Anreiz schafft, Daten preiszugeben, ist nur mit Blockchain möglich.

Das klingt abstrakt. Was macht man mit so einem Token und was ist er wert?

Der Wert eines Tokens wird ähnlich zum Bitcoin variieren. Die Smart Contracts basieren dann auf einem bestimmten Tageswert und der Datengeber entscheidet, ob er die Token direkt in echtes Geld umtauscht, auf eine Wertsteigerung hofft oder ob er damit andere Gesundheitsleistungen, zum Beispiel eine Zweitmeinung, einkauft. Die hier verhandelten Beträge für einen Basisdatensatz mögen für Menschen in starken Volkswirtschaften kein Vermögen darstellen, in anderen Teilen der Welt aber schon sehr wertvoll sein. Und letztlich hängt der Wert auch von dem jeweiligen Datenset ab und davon, was es demjenigen, der die Daten braucht, wert ist.

Welche Unternehmen haben ein so großes Interesse an Daten, dass sie bereit sind, sich auf solche Deals einzulassen?

Potenziell sehr viele! Die Alternative dazu sind beispielsweise aufwendige Marktforschungen, für die man Apps programmieren, Leute schulen muss und vieles mehr. Ein Datensatz für eine Post-Market-Surveillance-Studie eines Pharmaunternehmens kostet schnell über 400 Euro. Für valide Ergebnisse benötigt man Tausende solcher Datensätze. Da liegt der finanzielle Anreiz auf der Hand. Aber auch andere Akteure im Gesundheitswesen haben großes Interesse daran, beispielsweise einen Therapieverlauf und das Outcome einer Therapie zu evaluieren. Das wird interessant, wenn eine Vergütung für medizinische Leistungen erfolgsabhängig sein wird.

Und dann geht es auch ganz banal darum, Gesundheitsdaten aus ihren Silos herauszubekommen und für bestimmte Fragestellungen zusammenzulegen. Der Einzige, der dazu berechtigt ist, ist der Patient/Mensch, dem die Daten gehören. Dafür muss er sie aber zunächst einmal haben – zum Beispiel die Daten des Blutdruckmessgeräts oder der Fitnessuhr. Für uns kommt also eine Vielzahl strategischer Partner infrage: Callcenter, Spitalketten, Apotheken oder Gerätehersteller. Wie finanzieren Sie sich? Kostet die Nutzung der Plattform Geld? Nein, die Plattform ist kostenlos. Zum Aufbau benötigen wir aber Kapital und das erhalten wir über den Verkauf unserer Währung, dem Token – übrigens eine gängige Finanzierungsmethode zur Geldbeschaffung von Start-ups. Initial geben wir darum eine Milliarde Token raus, die in einem Coin Offering verkauf werden.

Vielen Dank für das Gespräch!
 

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