IHE-XDM-Profil: Einfach zu praktisch?

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Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht? So scheint die Devise zu lauten, wenn es um die Herausgabe und den Austausch medizinischer Daten in digitaler Form geht. Wieso sonst kommt eine der simpelsten und pragmatischsten Lösungen in der Praxis so selten zum Einsatz? Die Rede ist vom IHE-XDM-Profil, das alles definiert, was für eine sichere Punkt-zu-Punkt-Kommunikation auf unterschiedlichsten Übertragungswegen nötig ist – und zwar ganz ohne komplizierte IT-Architekturen und technischen Aufwand.

Frau Merzweiler, zunächst einmal: Was genau verbirgt sich hinter dem IHE-XDM-Profil und für welche Prozesse wurde es entwickelt?

IHE XDM ist im Prinzip eine Weiterentwicklung des PDI-Profils (PDI = Portable Data for Imaging), mit dem sich schon seit vielen Jahren DICOM-Daten standardisiert über Datenträger wie CD oder USB-Stick austauschen lassen. Die Vorteile dieses unkomplizierten Übertragungswegs wollte man auch für andere medizinische Daten nutzen. Aus diesen Bemühungen entstand 2008 das IHE-XDM-Profil. Kennzeichnend für das Profil ist, dass die Datenübertragung mit einfachen, bereits vorhandenen Mitteln stattfindet – im einfachsten Fall ist das Transportmittel der Patient, der einen Datenträger von A nach B bringt. Im Gegensatz zum frühen PDI-Profil, wurde bei XDM auch die Übertragung via E-Mail definiert.

Wie genau grenzen sich die beiden Profile XDM und XDS voneinander ab?

IHE XDS definiert die Möglichkeiten, ganze Informationsnetzwerke organisationsübergreifend aufzubauen, bei denen die Aggregation von Patientenbehandlungsdaten im Vordergrund steht. Die Kommunikation richtet sich in der Regel nicht an einen bestimmten Empfänger, sondern dient dem Aufbau einer elektronischen Patientenakte. Das Profil ist ein komplexes Konstrukt, das in der Regel den Aufbau eines einheitlichen Master-Patient-Index sowie die Verwendung einheitlicher Metadaten erfordert. Für die normale Kommunikation zwischen zum Beispiel Allgemein- und Facharzt und/oder Patient eignet es sich deshalb nicht. Das XDM-Profil erfordert im Gegensatz dazu keine gesonderte Struktur und einen viel niedrigeren Organisationsaufwand. So nutzt der Sender beispielsweise die bei ihm üblichen Metadaten, der Empfänger muss dann unter Umständen per Hand Anpassungen vornehmen. Aber auch dieser Aufwand lässt sich reduzieren, indem zum Beispiel generell die IHE-Metadaten verwendet werden.

Lassen sich beide Profile auch kombinieren?

Ja, absolut. Über XDM werden die notwendigen Metadaten für eine XDS Registry, also den Karteikasten zur Datenverwaltung, potenziell mitübertragen. Das bedeutet, dass sich XDM sehr gut dafür eignet, medizinische Daten in eine XDS-Infrastruktur einfließen zu lassen. So lässt sich beispielsweise die Kommunikation zwischen großen Gesundheitseinrichtungen und ihren Zuweisern effizient und einfach gestalten.

Für welche konkreten Szenarien eignet sich das XDM-Profil besonders gut?

XDM eignet sich für alle Situationen, in denen es um eine zielgerichtete Kommunikation geht, sei es zwischen Fachärzten, zwischen Arzt und Patient oder auch zwischen einem Krankenhaus und den Medizinischen Diensten der Krankenkassen. Die einfache Art der Übertragung per Datenträger oder E-Mail ist in vielen alltäglichen Szenarien extrem hilfreich und bei Weitem eine bessere Alternative als der Aufbau proprietärer Einzellösungen. Sogar als Archiv lässt sich XDM nutzen, zum Beispiel als Zwischenarchivlösung im Fall eines Systemwechsels. Der Fantasie sind da keine Grenzen gesetzt.

Der Fantasie nicht, aber das Profil selbst hat doch sicherlich Limitationen?

XDM stößt an seine Grenzen, wenn es um das Management von Patienten-IDs geht. Hier gibt es keine Automatisierung, die IDs müssen per Hand übertragen werden. Und dann haben wir aktuell noch eine Limitation bei DICOM-Daten. Hier ist XDM derzeit noch zu wenig konkret in der Beschreibung, wie DICOM- und Non-DICOM-Daten auf einem gemeinsamen Datenträger hinterlegt werden und anschließend mit dem nötigen Maß an Interoperabilität ausgelesen werden können. Um diese Limitation aufzuheben, wurden zwei sogenannte Change Proposals bei IHE International eingereicht. Diese sind bereits in die Standard Texte von PDI und XDM aufgenommen worden. Damit ist auch diese Hürde genommen. 

Dr. Angela Merzweiler – Einfach zu praktisch?
IHE-XDM-Profil: Einfach zu praktisch?

Dr. Angela Merzweiler

ist Standard-Expertin der ersten Stunde. Heute ist sie freiberuflich im Bereich Schulung, Beratung, und Software-Entwicklung mit den Schwerpunkten DICOM und IHE tätig.

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Standards helfen

Dr. Marc Kaemmerer – Leitung Innovationsmanagement bei VISUS
IHE liefert bereits heute viele Lösungskorridore für den Umgang mit Daten in der Medizin. Wie die Erweiterungshistorie von XDM zeigt, fehlt häufig nur noch ganz wenig, damit bestehende Profile weitere Anwendungsfälle adressieren können. Bereits eine kleine Ergänzung im Standardtext der Profile PDI und XDM hat bewirkt, dass mit ihnen neue Herausforderungen, zum Beispiel bedingt durch die DSGVO, durch die Industrie gelöst werden können – mit verhältnismäßig kleinem Aufwand. Sowohl PDI als auch XDM sind heute weltweit aktiv für den standardisierten Transport von Patientendaten im Einsatz (Patienten-CD). Man darf also von einem Stand der Technik ausgehen. Bisher werden Bilddaten getrennt von den übrigen Dokumenten übermittelt. Durch die Kombination (Grouping) der beiden Profile können nun sehr einfach auch ganze Patientenakten mit beliebigem Inhalt ausgetauscht werden. Oder sie werden dem Patienten in einem „maschinenlesbaren und interoperablen Format“ (Erwägungsgrund 68, DSGVO) übergeben – gemäß dem Stand der Technik. Darüber hinaus ist der Ansatz sogar pragmatisch: Es bedarf keiner komplizierten Infrastruktur. Der Datentransfer kann einfach über mobile Datenträger wie CD und DVD oder sogar elektronisch als verschlüsselte E-Mail erfolgen. Das zeigt einmal mehr: Die Mitarbeit bei IHE lohnt sich. Denn die Standards helfen, auch aktuelle Herausforderungen zu meistern.

Dr. Marc Kämmerer

Leitung Innovationsmanagement, VISUS