Krankenhauszukunftsgesetz: Wer bestimmt die Reife?

  • Krankenhauszukunftsgesetz: Wer bestimmt die Reife?

Bis Redaktionsschluss war noch nicht entschieden, wer für die Evaluierung des digitalen Reifegrads in Krankenhäusern, die das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) vorsieht, verantwortlich sein wird. Auch nicht, wie viele und welche Parteien ihren Hut in den Ausschreibungsring des Gesundheitsministeriums geworfen haben. Einzig die Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (GMDS) ging offensiv mit der Bewerbung des von ihrem gegründeten Konsortium „Digitale Zukunft Krankenhaus“ an die Öffentlichkeit. Zu Recht, denn das dahinterstehende Konzept überzeugt – sowohl durch die wissenschaftliche Basis als auch durch die praktische Anwend- und Auswertbarkeit.

Wer eine Idee davon bekommen möchte, wie eine Evaluierung des digitalen Reifegrads im Rahmen des KHZG aussehen könnte, dem sei ein Besuch der Testumgebung von CHECK IT NOW (checkit-now.de) empfohlen. Die dahinterstehende Check IT Now GmbH ist einer der Konsortialpartner und für die technische Umsetzung der Evaluierung verantwortlich. Von akademischer Seite sind die Hochschule Osnabrück, die Universität Leipzig, die Wilhelm Büchner Hochschule und das Fraunhofer ISST im Boot. Zusätzlich gibt es weitere Partner aus der Praxis sowie einen national und international besetzten Beirat.

Jahrzehntelange Erfahrung auf den Punkt gebracht

Warum sich die GMDS überhaupt so für die Rolle des Evaluierungspartners einsetzt, erklärt Dr. Jan-David Liebe von der Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Hochschule Osnabrück und Projektleiter so: „Die GMDS und die GMDS-GI-Arbeitsgruppe ,Methoden und Werkzeuge für das Management von Krankenhausinformationssystemen’, die das Konsortium anführen, beschäftigen sich bereits seit über zehn Jahren mit der digitalen Reifegradmessung in Krankenhäusern im deutschen und internationalen Kontext. Entsprechend gibt es bereits ein sehr gutes Verständnis für die Anforderungen und einen umfassenden Anforderungskatalog an ein Reifegradmodell für das deutsche Krankenhauswesen.“

Gelebte Digitalisierung mit dem Menschen im Mittelpunkt

Eine wichtige Umsetzungskomponente ist ein hoher Akzeptanzgrad innerhalb der befragten Stakeholdergruppen in den Krankenhäusern, schließlich sollen im besten Fall alle deutschen Krankenhäuser freiwillig an der Evaluierung teilnehmen. Was direkt die nächsten Kriterien für eine gute Evaluierungsmethode nach sich zieht: Transparenz, Reproduzierbarkeit und Skalierbarkeit. Die Ergebnisse müssen für alle Beteiligten der Erhebung nachvollziehbar sein, es muss deutlich werden, welche konkreten Faktoren einen hohen oder niedrigen Reifegrad verursachen. Und natürlich müssen diese Ergebnisse zuverlässig stabil sein und bei gleicher Datenlage gleiche Werte auswerfen.

Ziemlich komplex sind die Skalier- und Vergleichbarkeit des Reifegradmodells. Damit ist gemeint, dass die Systematik für Universitätskliniken ebenso geeignet sein muss wie für kleinere kommunale Häuser. Gleichzeitig sollen nicht nur die einzelnen Krankenhäuser in Deutschland untereinander vergleichbarer werden, sondern auch in einer internationalen Gegenüberstellung aussagefähige Erkenntnisse liefern.  „Hierbei ist zu berücksichtigen, dass in Europa und weltweit sehr unterschiedliche Erhebungsmodelle und -methoden zum Einsatz kommen. Uns war es daher wichtig, dass ein neues Modell von Beginn an international anschlussfähig ist“, erläutert Liebe, „und noch mit einer anderen Frage haben wir uns befasst: Wie schaffen wir es, zum einen auf der politischen und zum anderen auf der Ebene der Krankenhäuser Entscheidungen abzuleiten? Am Ende muss nicht nur für die Politik, sondern vor allem auch für die Einrichtungen selbst eine Art Masterplan entstehen, aus dem sich eine Digitalisierungsstrategie ableiten lässt – dieser Aspekt wurde in vielen bereits existierenden Ansätzen nicht berücksichtigt.“

Das Beste aus allen Welten

Das Team um Dr. Liebe hat dafür die Literatur durchforstet, mit dem Ziel, die bestmögliche Systematik auf die Beine zu stellen, und sie anschließend in der Praxis getestet. Außerdem wurden alle bereits bestehenden Methoden zur Reifegradevaluierung der Digitalisierung im Gesundheitswesen auf Herz und Nieren geprüft. Hierzu gehörten verschiedene internationale Ansätze, beispielsweise das Nordic E-Health Benchmarking, das NHS-Modell, EMRAM und das amerikanische Meaninful-Use-Programm sowie Modelle, die bereits originär für die deutschen Krankenhäuser entwickelt wurden, zum Beispiel CHECK IT, der IT-Report Gesundheitswesen oder KIT CON, das Reifegradmodell für Universitätsklinika.  „Was die Systematik betrifft, so unterscheiden wir zwischen Strukturen, Prozessen und Ergebnissen. Das bedeutet, Krankenhäuser brauchen zunächst geeignete Strukturen, um Prozesse zu etablieren, und mit diesen Prozessen erzielen sie dann Ergebnisse. Daraus lässt sich auch eine Priorisierung der zu betrachtenden Technologien ableiten. Für die geplante Evaluation stehen insbesondere die vom Gesetzgeber geförderten Technologien im Fokus, die ja eine sinnvolle Auswahl darstellen“, erklärt Jan-David Liebe.

Die Analyse der bestehenden Reifegradmodelle hat nützliche Indikatoren und Systematiken zutage gefördert, die allerdings so aufbereitet werden müssen, dass sie auf deutsche Krankenhäuser jeglicher Größe anwendbar sind und trotzdem einem internationalen Vergleich standhalten können. Hier wurden bereits große Fortschritte erzielt: Das aktuelle Reifegradmodell ist mit relevanten internationalen Modellen kompatibel.

In der praktischen Durchführung kann das Modell anhand einer skalenbasierten Selbstauskunft den Stand der Dinge evaluieren. Dabei sieht ein Haus sofort, welche Prozesse welchen Einfluss auf das Ergebnis haben. „Zur Validierung der Ergebnisse sind für die einzelnen Fragen konkrete Prüfkriterien hinterlegt, anhand derer eine Prüfung vor Ort stattfinden könnte“, so Dr. Liebe abschließend, der dabei im Blick hat, dass von der Reifegradmessung zukünftig Richtungsentscheidungen für die weitere Digitalisierung der Krankenhäuser abgeleitet werden.

Das Reifegradmodell: Werkzeug zur Messung der Digitalisierung

KHZG - Wer bestimmt die Reife?

Um zu ermitteln, wie der Stand der Digitalisierung in deutschen Krankenhäusern ist und wie die Fördergelder aus dem KHZG dabei helfen, die Digitalisierung voranzutreiben, definiert das KHZG die Messung mittels eines Reifegradmodells. Die erste Messung soll 2021 erfolgen und den Status quo ermitteln, die zweite Messung erfolgt 2023 und dient dazu, Verbesserungen in den geförderten, aber auch den nicht geförderten Häusern zu evaluieren.
 

Auf dieser Basis sollen anschließend auch die Krankenhäuser identifiziert werden, die mit einer Pönale aufgrund zu geringer Digitalisierung rechnen müssen.
Welches Modell dabei zum Einsatz kommt und wer für die Durchführung verantwortlich ist, entscheidet sich im Rahmen einer Ausschreibung durch das Bundesministerium für Gesundheit. Bis Ende Januar lief die Ausschreibungsfrist, bis Ende Februar fiel noch keine Entscheidung.

Beispiele aus der Testumgebung von www.checkit-now.de.