Viele Anforderungen – ein Dosismanagementsystem
Neue Strahlenschutzgrundverordnung
Nachdem das neue Strahlenschutzgesetz schon 2017 verabschiedet wurde, folgte die neue Strahlenschutzverordnung zum Jahresende 2018. Die gute alte Röntgenverordnung ist seither endgültig passé. Welche Änderungen und Neuerungen für radiologische Praxen und Abteilungen besonders bedeutsam sind, fasst PD Dr. Michael Walz, Leiter der Ärztlichen Stelle für Qualitätssicherung in der Radiologie, Nuklearmedizin und Strahlentherapie Hessen, für Sie zusammen.
1. Anmeldung einer Röntgeneinrichtung
Die Behörden haben vier Wochen Zeit, eine Rückmeldung zu einer Anzeige der Röntgeneinrichtung zu geben. Erfolgt innerhalb von vier Wochen keine Rückmeldung, ist die Anmeldung gültig. Streng genommen, darf die Röntgeneinrichtung in dieser Zeit noch nicht für Patientenuntersuchungen verwendet werden.
2. Medizinphysikexperten
Für dosisintensive Anlagen wie CT oder Angiografie-Anlagen muss künftig ein Medizinphysikexperte hinzugezogen werden. Institutionen, die ein CT oder eine Angio-Anlage neu einrichten, müssen diesen Experten schon bei der Anmeldung benennen. Für bestehende Anlagen gibt es Übergangsfristen bis 2022. Der Medizinphysikexperte soll beispielsweise Protokolle prüfen oder Optimierungen bei Referenzwertüberschreitungen vornehmen. Der erforderliche durchschnittliche Arbeitsumfang des Medizinphysikexperten wird pro Röntgeneinrichtung mit etwa 15 Tagen im Jahr angesetzt.
Achtung: Medizinphysikexperten sind Mangelware für den diagnostischen Bereich. Die Benennung eines solchen Experten bei der Anmeldung stellt Einrichtungen häufig vor Probleme.
3. Strahlenschutzverantwortliche
In einigen Bundesländern galt die Regel schon länger, in anderen hingegen ist sie neu: Jeder, der eigenverantwortlich Strahlen verwendet (auch an Fremdgeräten), muss sich als Strahlenschutzverantwortlicher anmelden. Außerdem muss er vom bisherigen Strahlenschutzverantwortlichen bei der Aufsichtsbehörde bekannt gemacht werden. In der Praxis bedeutet das, dass zum Beispiel auch Belegärzte, die während einer OP einen C-Bogen nutzen, als Strahlenschutzverantwortliche gemeldet werden müssen. Gleiches gilt für Radiologen einer radiologischen Praxis, die Geräte eines Krankenhauses nutzen.
4. Strahlenschutzbeauftragter
Der Strahlenschutzbeauftragte erhält neue Pflichten und kann sich bei Regelverstößen des Strahlenschutzverantwortlichen an die zuständigen Behörden wenden. Um dieser Aufgabe konsequent nachkommen zu können, erhält der Strahlenschutzbeauftragte Kündigungsschutz.
5. Meldung von Vorkommnissen
Gänzlich neu ist das Kapitel der Vorkommnisse. Darunter versteht man ein Ereignis, das zu einer unbeabsichtigten Exposition geführt hat oder geführt haben könnte und das im Sinne des Strahlenschutzes relevant ist – also vor allem Expositionen, die deutlich vom Dosisrichtwert abweichen. Wichtig ist, dass höhere gewollte Expositionen, zum Beispiel bei adipösen Patienten oder bei komplexen Interventionen, nicht der Meldepflicht unterliegen. Welche Kriterien zu einer Meldepflicht führen, ist in der Anlage 14 der Strahlenschutzverordnung aufgeführt. Grundsätzlich wird zwischen diagnostischen, interventionell-diagnostischen und interventionell-therapeutischen Eingriffen sowie zwischen Gruppen und Einzelpersonen unterschieden.
Wie komplex und dokumentationsintensiv die gewissenhafte Umsetzung des gesamten Kapitels „Vorkommnisse“ ist, zeigt exemplarisch die Meldepflicht für Gruppen. Hier gilt die sogenannte Aktionsschwelle, wenn der diagnostische Referenzwert einer Untersuchung unbeabsichtigt um 200 Prozent überschritten wird. Ist das der Fall, muss bei den letzten 20 Untersuchungen derselben Untersuchungsart geprüft werden, ob eine unbeabsichtigte Überschreitung von 100 Prozent in Bezug auf den Mittelwert gegeben ist. Falls ja, muss eine Meldung an die Aufsichtsbehörde erfolgen. Leider gibt es derzeit noch Unklarheiten in Bezug auf die exakten Definitionen: Beziehen sich die Zahlen auf die Untersuchungen eines Strahlenschutzverantwortlichen oder aller? Was gehört alles zu einer Untersuchungsart?
6. Zusätzliche Dokumentationspflichten
Oft müssen für alle Geräte zusätzliche Dokumentationen durchgeführt werden – oft mit Übergangsfristen zwischen 2021 und 2024. Dazu gehört zum Beispiel:
- Erfassung aller notwendigen Parameter zur Bestimmung der Dosis
- Anzeige der Exposition während der gesamten Intervention
- Regelmäßige Auswertungen und Bewertungen der Exposition
- Dokumentation der Begründungen bei Überschreitungen von Referenzwerten
Achtung: Auch wenn nicht alle Überschreitungen gemeldet werden müssen, muss jedes Vorkommnis geprüft, bewertet und dokumentiert werden. Hierzu bedarf es einer verbindlichen Systematik, vergleichbar zum Qualitäts- oder Risikomanagement. Diese Systematik muss transparent und zugänglich sein und wird von den ärztlichen Stellen geprüft. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, kommen größere Praxen und radiologische Abteilungen in Krankenhäusern nicht um ein Dosismanagementsystem herum. Der Einsatz eines solchen Systems wird zwar nicht gefordert, aber die vielen Anforderungen an Dokumentationen und Auswertungen führen dazu, dass es in Zukunft ohne nicht gehen wird.
Weitere Informationen zu den Neuerungen und Änderungen, die mit dem Strahlenschutzgesetz in Kombination mit der Strahlenschutzgrundverordnung einhergehen, finden Sie demnächst hier.
Viele Anforderungen – ein Dosismanagementsystem
Dr. Michael Walz
Leiter der Ärztlichen Stelle für Qualitätssicherung in der Radiologie, Nuklearmedizin und Strahlentherapie Hessen