IHE erarbeitet KI-Standards
Der Nutzen von KI-Modellen im radiologischen Workflow hängt maßgeblich von standardisierten Schnittstellen für den Datenaustausch ab. Eine Interessensgruppe von IHE Europe erarbeitet die dafür nötigen Voraussetzungen. Im Rahmen eines Plugathons ist sie nun ein großes Stück weitergekommen.
Die Vision der personalisierten Medizin klingt vielversprechend: Aus einer Vielzahl von Laborwerten, Anamnesedaten, Untersuchungsergebnissen und -bildern erstellt der Arzt maßgeschneiderte Therapiepläne. In der Praxis wird das volle Potenzial der integrierten Diagnostik jedoch noch zu selten genutzt. Dr. Marc Kämmerer, Facharzt für Radiologie und Leiter unseres Innovationsmanagements, kennt auch den Hauptgrund dafür: „Unterschiedliche Softwaresysteme werden auf Basis proprietärer Schnittstellen und unzureichend strukturierter Daten zusammengeführt. Doch dieser Weg führt in die Sackgasse. Interoperabilität kann nur funktionieren, wenn alle Prozessteilnehmer die jeweiligen Standards unterstützen und Daten aufgrund ihres Strukturierungsgrades eine semantische Interoperabiliät ermöglichen.“
Taskforce findet neue Anwendungsfälle
Genau solche Standards erarbeitet die AI Intererst Group for Imaging (AIGI), die Marc Kämmerer ins Leben gerufen hat. Die Gruppe agiert als Taskforce von IHE Europe. Ziel der IHE ist es, die Kommunikation zwischen IT-Systemen und Medizingeräten zu verbessern und in den klinischen Arbeitsabläufen nutzbar zu machen. Dafür entwickelt sie sogenannte Integrationsprofile mithilfe internationaler Standards. Das internationale Expertenteam der AIGI konzentriert sich auf die Integration von KI-Lösungen in die radiologischen Arbeitsabläufe.
Im Rahmen eines Plugathons anlässlich des IHE Connectathons in Triest hat die Gruppe im Juni für die Anwendungsfälle „KI-unterstützte Thorax- und Schädelbefundung“ die gesamte Datenkette bis hin zur Erstellung eines radiologischen Befundberichts getestet. Dabei wurden Systeme von neun verschiedenen Herstellern verknüpft. Diese Live-Testung brachte sehr schnell die Defizite hinsichtlich einer skalierbaren Integration und Nutzbarkeit ans Licht.
Ein Basic für die Nutzung von KI im klinischen Kontext stellt die Notwendigkeit eines Validierungsprozesses dar. Einerseits ist dieser erforderlich, um sicherzustellen, dass die richtigen Ergebnisse effizient zwischen den Systemen ausgetauscht werden. Andererseits erfordert der neue EU AI-Act, die Ergebnisqualität der KI-Lösungen zu monitoren. Über die Zeit gesehen kann hierfür z. B. das Verhältnis von richtigen zu falschen Ergebnissen ein Indikator sein. Da die Validierung nicht notwendigerweise am gleichen System stattfindet, an dem die Weiterverarbeitung der Daten (z. B. für Befundschreibung oder dem Monitoring) erfolgt, bedarf es eines interoperablen, systemübergreifenden Austauschs der Verifikationsprozessergebnisse.
Mit steigender Anzahl der genutzten KI-Lösungen wird der Einsatz eines Service Discovery sinnvoll. Dies ist ein Dienst, der zum Beispiel einem PACS mitteilt, welche Anforderungen eine KI an auszuwertende Bilder stellt. Auch hinsichtlich der Übergabe von KI-Ergebnissen aus einem Viewer an ein Befunderfassungssystem sei man „ein riesiges Stück“ vorangekommen, so Marc Kämmerer. Die Teilnehmenden des Plugathons haben hierzu den ersten Entwurf eines Datensatzes erstellt, der bereits die sehr unterschiedlichen Anforderungen der verschiedenen Hersteller berücksichtigt.
Der Status quo: ein Sammelsurium an Lösungen
Am Ziel ist die Taskforce damit aber noch lange nicht. Dies hat nicht zuletzt mit der Branchenstruktur der KI-Welt zu tun, wie Marc Kämmerer erläutert. „Häufig kommen die Hersteller aus der Start-up-Szene und kennen IHE wenig bis gar nicht. Deshalb oder aufgrund fehlender Standards haben sie eigene Lösungswege geschaffen, etwa für die Kommunikation von Statusinformationen hinsichtlich des Prozessierungsstands oder der Weitergabe von Ergebnissen an andere Systeme.“ Ein „buntes Sammelsurium“ von Ansätzen sei so entstanden – das Gegenteil dessen, was für den skalierbaren Einsatz von KI in der Medizin benötigt wird.
Dabei hat die IHE bereits zwei Profile entwickelt, die den neuen Arbeitsabläufen Rechnung tragen: AI Results (AIR) legt fest, wie die Ergebnisse medizinischer Bildgebungsanalysen zuverlässig gespeichert, abgerufen und angezeigt werden. Und das Profil AI Workflow for Imaging (AIW-I) befasst sich mit Anwendungsfällen für die Anforderung, Verwaltung, Durchführung und den Einfluss von KI auf digitale Bilddaten. Beide Profile befinden sich derzeit in Status zur Trial-Implementierung durch die Hersteller. Mit Hilfe dieser und der neu erarbeiteten Anwendungsfälle sei man nun „ein wichtiges Stück“ weiter auf dem Weg der Integration von KI-Lösungen, schätzt Kämmerer. Zugleich habe der Plugathon einmal mehr gezeigt: „Gemeinsam kommt man weiter.“ Die Anforderungen zum Verifikationsprozess werden in dem neuen IHE-Profilvorschlag AI Result Approval for Imaging (AIRAI) ab Mitte November durch die AIGI-Gruppe für IHE beschrieben und können mit etwas Glück bereits 2025 in Wien bei einem weiteren Plugathon im Rahmen des IHE Connectathons vorab getestet werden.
„Die Integration von KI in die Arbeitsplätze wird ohne die Nutzung von Standards nicht skalieren.“
Dr. Marc Kämmerer
Leiter Innovationsmanagement VISUS