XDS oder XDM: Das ist hier die Frage!

  • XDS oder XDM: Das ist hier die Frage!

Wer standardisierte Wege beim Transport medizinischer Daten gehen möchte, der kommt an den IHE- Profilen XDS und XDM nicht vorbei. Beide haben es weit nach vorn in das Schaufenster der technologischen Kommunikationsverfahren im Gesundheitswesen geschafft. Das ist gut, zieht aber die Frage nach sich, welches Profil wann zum Einsatz kommen sollte. Wichtig zu wissen: IHE XDM und IHE XDS können alternativ oder additiv, aber nicht substitutiv genutzt werden. Welches Profil welches Kommunikationsszenario besser bedient, ist keine Glaubensfrage, sondern lässt sich anhand eines einfachen und eindeutigen Indikators bestimmen: dem Empfänger.

IHE XDS: das große Unbestimmte

IHE XDS eignet sich immer dann, wenn es darum geht, Daten dauerhaft zentral vorzuhalten, weil sie für eine ungerichtete Kommunikation zur Verfügung stehen müssen. Das Profil eignet sich gut für Geschäftsbeziehungen, um zum Beispiel Patienten oder eine undefinierte Menge weiterer Leistungserbringer zu erreichen. Typischerweise ist das bei Aktenlösungen wie ePA, ELGA oder dem elektronischen Patientendossier (EPD) der Fall. Aber auch fallbezogene Akten wie eFA sind Kandidaten für IHE XDS. Die hierfür notwendige Infrastruktur ist, je nach Ausbaustufe, extrem komplex und kann mit einer Bibliothek verglichen werden. Ein zentrales Register ist nötig, um überhaupt zu wissen, welche Bücher vorhanden und in welchem Regal diese zu finden sind. Das übernimmt in IHE XDS die Document Registry. Die Daten selbst finden sich dann in „digitalen Regalen“, vergleichbar mit den IHE XDS Document Repositorys. Ob davon ein zentrales oder mehrere dezentrale existieren, ist eine logistische und organisatorische Frage, die aber letztlich keinen Einfluss auf das Grundprinzip hat.

Unabhängig davon, wo sich die Repositorys befinden (ob zentral oder dezentral), ist ein XDS-Konstrukt komplex. Das hängt zum einen mit dem Aufbau und dem Betreiben der Hard- und Software-Infrastruktur zusammen, zum anderen aber auch mit der Verschlüsselung und dem Rechtemanagement. Beteiligte Systeme müssen mittels digitaler Zertifikate ausgestattet werden, um eine sichere Verbindung zwischen diesen zu ermöglichen und eine entsprechende Vertrauensstellung herzustellen. Je nach Ausbaustufe kommen in IHE XDS unterschiedlich komplexe Berechtigungssysteme zum Tragen.

Will man feingranulare Rechte, zum Beispiel auf Dokumentenebene und für einzelne Personen, einstellen, sind meistens Policy-Systeme notwendig, die beispielsweise mit XACML-Regeln arbeiten können. Manchmal reichen auch eher simple Überprüfungen aus, etwa wenn es in kleineren Verbünden darum geht zu überprüfen, ob der Patient sein generelles Einverständnis zum Teilen der Daten mit den beteiligten Unternehmen gegeben hat. Bei Fallakten wie der eFA wird es dann aber noch komplizierter, weil die Entscheidung des Patienten berücksichtigt werden muss, obwohl der Patient selbst keinen Zugriff auf das Aktensystem und somit das Rechtemanagement hat. Sollte sich ein Patient entscheiden, einen anderen Arzt zu konsultieren, als beim Einstellen der Daten berechtigt wurde, muss das ebenfalls vom Aktensystem unterstützt werden. Außer Acht lassen darf man auch nicht das Recht auf Vergessenwerden, also das Löschen von Daten mit Personenbezug aus solchen zentralen Infrastrukturen. IHE-XDS-Konstrukte erreichen so schnell einen Umfang, ab dem es absolut sinnvoll ist, eine Betreibergesellschaft einzusetzen, die sich um rechtliche, organisatorische und operationelle Fragen kümmert und als zentraler Ansprechpartner für Rückfragen dient.

IHE XDM: praktisch statt pompös

Ganz anders bei IHE XDM: Das IHE-XDM-Profil wurde speziell für eine direkte Kommunikation entwickelt. Im Bereich der Geschäftsbeziehungen eignet sich dieses Profil sehr gut für den gerichteten Austausch zwischen Leistungserbringern. Ein komplexer Überbau bestehend aus Registry, Repositorys, Berechtigungssystemen usw. ist nicht nötig. Mit IHE XDM kommunizieren zwei definierte Partner mittels einer gerichteten Übertragung von Informationen – die Patienteneinwilligung vorausgesetzt – mit einer sicheren Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, zum Beispiel per E-Mail. Dadurch eignet sich IHE XDM perfekt für Szenarien, in denen nur ein Empfänger oder ein definierter Empfängerkreis adressiert wird. Natürlich gilt es auch hier, das notwendige Schlüsselmaterial im Vorfeld auszutauschen und Konzepte für das Schlüsselmanagement aufzusetzen.

Selbst große Netzwerke können über IHE XDM kommunizieren – solange die Kommunikation punktgerichtet stattfindet. Ein Beispiel dafür ist das niederländische Projekt DVDExit. Im Rahmen des Projekts soll die DVD als Transportmittel für radiologische Bilddaten gänzlich abgeschafft werden. Für diese gerichtete Kommunikation ist eine dauerhafte Speicherung der Daten in einer aufwendig zu installierenden und zu betreibenden XDS-Infrastruktur nicht erforderlich und daher unverhältnismäßig. Die Kommunikation findet hier nur temporär zwischen zwei definierten Parteien statt und bedarf somit keiner permanenten Speicherung der Daten. Das gilt übrigens ebenfalls für Bilddaten, weshalb XDM auch für die Bilddatenkommunikation im Vorteil ist, weil keine zusätzlichen Systeme wie bei IHE XDS notwendig sind.

Gleiche Struktur, anderer Transportweg

Als Fazit lässt sich also festhalten, dass der Einsatz von IHE XDM und IHE XDS davon abhängt, auf welchem Weg und an wen medizinische Daten kommuniziert werden sollen. Ebenfalls lassen sich diese Profile üblichen Geschäftsbeziehungen zuordnen und erleichtern so die Entscheidung für oder gegen eines dieser Profile. Übrigens: Inhaltlich unterscheiden sich die Übertragungsdaten von IHE XDM kaum von denen bei IHE XDS. Für beide Profile werden dieselben Metadaten verwendet und es gelten die dieselben Vorschriften. Die generierten Daten sind also miteinander vergleichbar und sogar komplett untereinander austauschbar. Der Unterschied liegt lediglich im Transport der Daten.

Sven Lüttmann - VISUS
"IHE XDM und IHE XDS können alternativ oder additiv, aber nicht substitutiv genutzt werden. Welches Profil welches Kommunikationsszenario besser bedient, ist keine Glaubensfrage."

Sven Lüttmann

Produktmanager eHealth, Experte für Standardisierung und Interoperabilität